Gentechnik und Mutationen (BioFusion)

 

Einführung

Die Genforschung und die damit verbundenen wissenschaftlichen Disziplinen waren schon im 21. Jahrhundert in der Theorie bereits auf einem ziemlich hohen Niveau. Allerdings haperte es immer wieder an der Umsetzbarkeit. Bei einigen Tierarten funktionierte z. B. das Klonen recht gut (Haus- und Nutztierarten, die schon über Jahrhunderte mit dem Menschen zusammen lebten), aber bei Wildtieren und insbesondere bei giftigen Tieren ergaben sich die verschiedensten Probleme, die meistens damit zusammen hingen, dass verändertes Erbgut doch plötzlich ganz anders wirkte als vorausberechnet, so dass die Ergebnisse oft nicht mehr vorzeigbar waren und in den Schubladen der Konzerne verschwanden.

 

Die Welt denkt um

Allerdings schaffte man es im Laufe der Zeit, wenigstens die wichtigsten Fleischlieferanten (Schwein, Rind, Lamm sowie einige Fischarten) derart zu manipulieren, dass bald schon ein ganzer Industriezweig auf der Grundlage dieser Forschung entstand. Natürlich war das alles anfangs noch streng reglementiert und brauchte erst einmal seine Zeit, um sich auch bei den Konsumenten durchzusetzen, aber schon im 24. Jahrhundert wurden auf Grund der beginnenden Bevölkerungsexplosion in Afrika die dortigen Gesetze in dieser Hinsicht stark gelockert, so dass die Preise für Genfleisch weiter fallen konnten. Diese niedrigen Ladenpreise waren jetzt auch das Hauptargument für bislang eher skeptische Kunden, dann doch auf diese Fleischalternative zurückzugreifen. Die „eigentliche“ Genforschung am Menschen und an menschenähnlichen Arten sowie an Wildtieren blieb aber noch für lange, lange Zeit strengen Auflagen unterworfen und nur in den Hinterzimmern der Pharma- und Biokonzerne ein Thema …

 

Der medizinische Ansatz

Die vielen Perspektiven der Genforschung für die Medizin endeten leider oft in den Sackgassen der Bedeutungslosigkeit. Experimente schlugen fehl, Medikamente bewirkten, nachdem sie bei einigen Bevölkerungsgruppen hervorragend funktioniert hatten, bei anderen das genaue Gegenteil. So wurde die Gentechnik in der Medizin bis zum Anfang des 4. Jahrtausends sozusagen der „Buhmann“ der Wissenschaft und nur von fragwürdigen Wissenschaftlern für Experimente eingesetzt.

 

Genpflanzen: eine echte Alternative

Nutzpflanzen wie z. B. verschiedene Gemüse- und Obstsorten wurden in den meisten Ländern von dieser scharfen Reglementierung ausgenommen. Das geschah hauptsächlich deshalb, weil die Kapazitäten am Limit angelangt waren – die Welt verlangte nach billigeren und widerstandsfähigeren Lebensmitteln und Nutzpflanzen. Also nutzte man die Gentechnik, um die verschiedensten Pflanzen an diese neuen Bedingungen anzupassen. Robustere Arten wurden gezüchtet, die sogar unter Weltraumbedingungen wuchsen. Ein Kassenschlager wurde z. B. genmanipulierter Reis, der mittels Tröpfchenbewässerung angebaut wurde und so auch in Weltraumstationen gezüchtet werden konnte. Im Gegensatz zum Genfleisch regte sich bei den Nutzpflanzen auch kein großer Widerstand. Im Gegenteil, viele Umweltschutzorganisationen unterstützten diese Verfahren, weil sie (lt. WHO) „unsere Chance sind, die Weltbevölkerung auch auf Dauer zu ernähren und eventuell sogar einmal einen Exodus der Menschheit ins All zu ermöglichen“.

 

Afrika mausert sich zum Genfleischlieferanten Nr. 1

Wie schon erwähnt, trieb Afrika (insbesondere Südafrika, Nigeria und Ägypten) die Forschungen ab dem 24. Jahrhundert weiter nach vorne und ermöglichte Projekte, die in Europa oder Amerika in dieser Form ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wären. So entstanden Industriezentren mit riesigen Schlachthöfen – meistens befanden sich diese außerhalb jeder Siedlung in der Wüste oder Steppe, um die Menschen nicht mit der Brutalität des „Herstellungsprozesses“ zu schockieren. Dafür lagen die Preise für Genfleisch aber auch bis zu 30 % unter dem für normales Fleisch und bis zu 70 % unter dem für Biofleisch. Das war im Endeffekt der triftigste Grund für viele Familien, auf diese Alternative zurückzugreifen – zumal Afrika wegen seines in vielen Regionen wachsenden Wohlstandes immer mehr Nachwuchs zeugte, was in einer kleinen Bevölkerungsexplosion mündete. Um die vielen Mäuler zu stopfen, kam das neue Genfleisch gerade recht. Natürlich gab es auch Widerstandsbewegungen wie z. B. die IFGF (Internationale Front gegen GenFood), aber diese stießen bei der (afrikanischen) Bevölkerung kaum auf offene Ohren. In Europa und Nordamerika wurde der WWF dagegen zur wichtigsten Umweltorganisation und stellte die Ausbeutung von Nutztieren mit verschiedenen Medienkampagnen und auch gewagteren Manövern immer wieder an den Pranger. Aber dennoch: Die Preise und der weitere industrielle Aufschwung, der mit dem neuen Wirtschaftszweig verbunden war, blieben einfach die stärkeren Argumente … Exportiert wurde vom schwarzen Kontinent übrigens vor allem nach Asien und Südamerika, wo Mitte des 3. Jahrtausends in vielen Ländern, ähnlich wie in Afrika, ein Bevölkerungsboom begann.

 

Wird auch der Mensch manipulierbar?

Anfang des 4. Jahrtausends, als die Entwicklung von Androiden den Turbo einschaltete, wurde auch die Frage nach der Legitimität einer gentechnischen Manipulation des Menschen neu gestellt. Es ging jetzt nicht mehr um monomorphe und polymorphe Genpools und die Gefahr, dass diesen bei Manipulation Schaden zugefügt werden könnte, sondern darum, Experimente an künstlich erschaffenen, von der Außenwelt isolierten Lebewesen durchzuführen, was auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stieß (hiervon betroffen waren hauptsächlich B-Klasse-Androiden, da sie noch über ein menschliches Gehirn verfügten). Neben der Implantationstechnologie wurden so auch verschiedene neue Disziplinen der Genforschung ins Leben gerufen, die sich an Androiden völlig neu ausprobieren durften. Dies führte natürlich zu einigen Vorteilen für den Menschen (z. B. neue Medikamente und Therapien für lebensbedrohliche Erkrankungen), aber auch zu einigen Risiken. Deshalb blieb die Genforschung am Menschen auch weiterhin strengen Gesetzen unterworfen und nur die Reicheren konnten sich eine solche Behandlung leisten. Laut Gerüchten wurde während der Chinesischen Volksaufstände an vielen Soldaten illegal herumexperimentiert, um beispielsweise ihre Ausdauer im Gefecht oder ihre Kraft zu steigern, was aber nie vollständig aufgeklärt werden konnte.

 

Mutationen

Vor allem im Underground lebten zu Beginn des 5. Jahrtausends viele Menschen mit Mutationen: ihnen fehlten Körperteile oder sie hatten doppelte. Dies war zum größten Teil auf illegale Versuche an Menschen der Unterklassen zurückzuführen. Diese Mutanten durften sich nicht mehr mit „normalen“ Menschen paaren oder fortpflanzen – wer es dennoch tat, wurde hart bestraft. Insgesamt hatte man auch den Eindruck, als ob Mutanten härter bestraft würden als „Normalos“. Für die Forschung waren diese Menschen allerdings ein wahrer Schatz. Wissenschaftler buhlten mit hohen Prämien, um an Mutanten weitere Experimente durchführen zu dürfen; diese wurden nach und nach auch durch gelockerte Gesetze indirekt gefördert. So entstand mit der Zeit eine Parallelgesellschaft, die strikt von der normalen Welt abgeriegelt wurde (ganze Mutantenstadtteile entstanden so unter der Erde). Nichtsdestotrotz schafften es einige mutierte Menschen, sich in der Welt zu behaupten und wurden z. B. (und nicht zuletzt wegen ihrer äußeren Erscheinung) zu bekannten Rockstars, Designern oder Künstlern. Insgesamt aber wurden Mutanten eher in Gettos weggesperrt und höchstens als Zirkusattraktion verwendet, als dass sie ernsthaft in die Gesellschaft integriert worden wären ...

 

Zitat

„Produkte von Klontieren als unbedenklich für Menschen erklärt“ (Florian Rötzer, Telepolis, 29. 12. 2006)

 

Lektüre

Genmanipulierte Lebewesen spielen in verschiedenen meiner Storys eine Rolle, z. B. in "Clones' Choice" (erschienen in Menschgrenzen) oder "Schlangen müssen draußen bleiben" (noch unveröffentlicht).

Interesse an meinen Büchern?

 

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